Meine Erfahrung in Taizé:
Als wir in Taizé ankamen, lernten wir den Ablauf der Woche kennen. Jeden Morgen, Mittag und Abend fanden Gottesdienste statt. Zwischen den Gottesdiensten diskutierten wir in Bibelgruppen über Textstellen, trafen uns in kleinen Gruppen innerhalb unserer Reisegruppe (sogenannte Steingruppen) und übernahmen Aufgaben in Taizé, wie zum Beispiel Tee ausschenken. Jeder Gottesdienst beinhaltete anstelle einer Predigt zehn Minuten Stille. Da ich aus einer evangelischen Kirche komme, die einen Schwerpunkt auf die Predigt legt, war diese Stille für mich ungewohnt, aber auch eine interessante neue Erfahrung.
Im Laufe der Woche kamen wir mit Personen aus der ganzen Welt in Kontakt. Besonders viel haben wir mit Schweden Fußball gespielt, aber auch Litauer, Österreicher und Ägypter kennengelernt. Die Begegnung mit einem Ägypter hat mich besonders bewegt. In einem Vortrag berichtete er über die Situation der koptischen Kirche in Ägypten nach dem Arabischen Frühling. Er sprach von der Angst und Furcht der Christen, die etwa 10 % der Bevölkerung ausmachen, ihre Kirche zu besuchen und ihre Familien der Gefahr von Terroranschlägen auszusetzen. Diese Erzählungen haben mir die globalen Herausforderungen des Christentums eindrücklich vor Augen geführt.
Im Laufe der Zeit stellte ich eine zunehmende Erschöpfung fest. Obwohl ich schon öfter gezeltet habe und sonst nicht naturscheu bin, setzten mir der Schlafmangel und die einfache Ernährung überraschend zu.
Die Bibelgruppen folgten einer morgendlichen Einführung in eine Bibelstelle. In den Gruppen gingen wir auf die Aussagen und die Bedeutung der Texte ein und diskutierten, wie wir die Werte in unser Leben umsetzen können. Leider fand ich die Diskussionen in meiner Bibelgruppe nicht sehr tiefgründig, da wir uns oft mit einfachen Fragen wie „Warum sind die Pharisäer von Jesus provoziert?“ beschäftigten. Mir fehlte die tiefgründige Auseinandersetzung mit den Texten. Ich habe jedoch von anderen Teilnehmern gehört, dass sie in ihren Bibelgruppen sehr bereichernde Erfahrungen gemacht haben.
Trotz einiger Herausforderungen war die Zeit in Taizé für mich insgesamt sehr wertvoll. Die Begegnungen mit Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen und die gemeinsamen Erlebnisse haben einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Trotz der Erschöpfung und den gemischten Erfahrungen in meiner Bibelgruppe habe ich viel über Gemeinschaft und Glauben gelernt. Ich könnte mir gut vorstellen, wieder nach Taizé zu fahren, um weitere positive Erfahrungen zu sammeln und mich erneut auf diese besondere spirituelle Reise einzulassen.
Julius Wagner